Journal



Oktober 2009


Entschuldigt bitte, dass wir in letzter Zeit nicht immer pünktlich zum Monatsanfang das Journal fertig haben. Normalerweise schreiben wir den Eintrag immer gegen Ende des Vormonats, aber in den letzten drei Monaten waren wir genau dann unterwegs. So auch diesen Monat, denn nach der Nebelhorn-Trophy sind wir spontan nach München gefahren, um dort ein paar Dinge zu überarbeiten. Aber zunächst einmal der Reihe nach.

Unsere Trainingspartner und Freunde Dominique und Michael hatten sich mit den Ergebnissen der vergangenen Saison zur Teilnahme an Junioren-Grand-Prixs qualifiziert und fuhren so mit unserem Trainer Vitali Anfang September nach Budapest und Torun. Obwohl es ab und zu auch mal ganz angenehm ist, ohne Trainer zu trainieren, schauten wir nach einer Alternative und überlegten, wie wir die Zeit sinnvoll nutzen könnten. Der Bundestrainer hatte keine Zeit und Vancouver ist ein bisschen weit weg für eine Woche, somit entschied unser Trainer, uns für diese Woche zu einer Kollegin, Muriel Boucher-Zazoui, nach Lyon zu schicken. Schon im Sommer hatte er überlegt, uns dort für ein paar Wochen hinzuschicken, um die Atmosphäre von Spitzenpaaren nutzen zu können.

Nach 800 km Fahrt mit dem Auto kamen wir am Sonntagabend des letzten Augustwochenendes in der französischen Industriestadt Lyon an und begannen am Montagmorgen mit dem Training. Die Eishalle ist sehr modern, warm und hauptsächlich für Trainingszwecke konzipiert. Das Trainerteam besteht aus Muriel, Romain Haguenauer und Diana Ribas, welche seit vielen Jahren zusammenarbeiten. Diana, welche manchen eher unbekannt sein könnte, ist eine Tänzerin und selbst nie Eis gelaufen, außerdem hat sie ein eigenes Tanzstudio und arbeitet viel mit den Läufern an Choreographie und Ausdruck. Das Training beginnt jeden Morgen um 6 Uhr auf dem Eis und endet um 2 bzw. 4 Uhr. Somit können sich die Trainer einteilen, mit welchem Paar sie wann arbeiten, so dass keiner zu kurz kommt. Denn immerhin trainieren dort 5 Senioren- und 3 Juniorenteams dauerhaft. Das bekannteste Paar sind Isabelle Delobel und Olivier Schoenfelder, jedoch erwartete sie während unseres Besuchs gerade ihr erstes Kind und hat somit nicht trainiert. Olivier hingegen war fast täglich in der Halle, um die schon fertigen Programme für die jetzt beginnende Saison zu laufen. Die anderen Läufer haben uns erzählt, dass Isabelle noch mit rundem Babybauch auf dem Eis stand und sehr fleißig trainiert und einstudiert hat. Lediglich bei den Hebungen musste Olivier mit anderen Damen vorlieb nehmen, da das dann doch ein wenig zu gefährlich gewesen wäre. Alle hier, sowohl Trainer als auch die anderen Läufer, trauten Isabelle durchaus zu, kurz nach der Geburt wieder weiter zu arbeiten und schnell die Baby-Pfunde purzeln zu lassen.

Ein anderes hier trainierendes, sehr erfolgreiches jüngeres Team sind die Italiener Anna Cappellini und Luca Lanotte. Diese haben sich nach der vergangenen Weltmeisterschaft von ihrem alten Trainer getrennt, um dauerhaft nach Lyon zu wechseln. Zudem gehören zu den Trainingspartnern die Franzosen Pernelle Carron und Matthieu Jost, die sich getrennt haben und jetzt mit Lloyd Jones bzw. Olga Orlova an den Start gehen.

Da wir im Vorfeld noch niemanden richtig gut in Lyon kannten, hatten wir uns zunächst ein Hotelzimmer gebucht. Carolina wusste noch gut, wie klein französische Hotelzimmer im Allgemeinen sind und dass sie oft nur die von uns gefürchteten französischen Doppelbetten haben. Deshalb hatten wir schon bei unserer Reservierung darauf bestanden, zwei separate Betten zu bekommen. Bei einer Deutschen Meisterschaft in Dresden vor zwei Jahren hatten Tim und Daniel einmal aus Versehen ein französisches Doppelbett gehabt und mussten daraufhin zwei Einzelzimmer nehmen, da es einfach zu eng für zwei Personen war. Auch wir schlafen nur ungern auf einem Zimmer zusammen, da es gut ist, nach dem Training ein bisschen Abstand zu bekommen und nicht 24 Stunden zusammen sein zu müssen. Wie erwartet war das Hotelzimmer etwa 16 Quadratmeter groß und hatte die separaten Betten, die jedoch zu einem großen Bett zusammengeschoben waren. Kurzerhand räumten wir das komplette Zimmer um und verschoben die Betten, den Tisch und die Stühle, um so weit wie möglich auseinander schlafen zu können. Das Training verlief gut und es war wirklich motivierend, einmal in einer großen Gruppe zu trainieren, weshalb wir schon nach wenigen Tagen entschieden, noch eine weitere Wochen zu bleiben. Mittlerweile kannten wir die Läufer recht gut, und gerne nahmen wir das Angebot der Italiener an, in ihren Wohnungen zu wohnen.

Schon etwa 2 Wochen nach unserer Rückreise nach Dortmund sollten wir unseren Saisoneinstieg bei der Nebelhorn-Trophy bestreiten. Daher kam der Bundestrainer Martin Skotnicky noch einmal für wenige Tage zu uns nach Dortmund, um mit uns an den Programmen zu arbeiten. Besonders im Tango waren noch viele kleine Problemstellen und auch in der Kür mussten wir an ein paar Stellen Schritte für höhere Levels umbauen, bevor wir zur Nebelhorn-Trophy gefahren sind.

Die Nebelhorn-Trophy war in diesem Jahr Olympiaqualifikationswettbewerb der ISU, welches bedeutet, dass Nationen, die noch keinen Olympiastartplatz für ihr Land bei der vergangenen Weltmeisterschaft erlaufen hatten, nun eine zweite Chance bekamen. Wir hatten es glücklicherweise geschafft, der Deutschen Eislauf-Union einen Olympiastartplatz bereits in Los Angeles zu sichern und konnten somit entspannter in den Wettbewerb hineingehen. Die Nationen, die dieses noch nicht getan hatten, durften nur einen Startplatz pro Disziplin besetzen, um einen Reihenfolge unabhängig von den anderen Teilnehmern zu erstellen. Im Eistanzen qualifizierten sich die ersten 5 Nationen ohne Startplatz direkt für ein olympisches Ticket, und die weiteren Nationen reihten sich auf einer Warteliste ein. Das heißt wenn ein Nation, so zum Beispiel Deutschland bei den vergangenen Olympischen Spielen in Turin, trotz erlaufenem ISU-Platz keinen Teilnehmer schicken möchte, tritt die Nachrückliste in Kraft. In diesem Jahr wollten sich die Australier, Chinesen, Esten, Finnen, Georgier, Griechen, Österreicher, Ungarn und Tschechen qualifizieren. Die Ungarin Nora Hoffmann mit ihrem Partner Maxim Zavozin hätte sich mit Sicherheit schon bei der letzten WM den Startplatz sichern können, sie konnten dort verletzungsbedingt jedoch nicht antreten. Die Österreicher und Georgier sind neu zusammengestellt und konnten sich daher bei der letzten WM keinen Startplatz sichern. Wirklich Pech hatten die Australier: Bei der WM reichte es nicht, und nun mussten sie noch vor Wettbewerbsbeginn zurückziehen, da er sich durch eine Erkältung und fehlende Trainingspause eine Herzmuskelentzündung zugezogen hatte.

Auch für uns hätte der Wettbewerb einen Schritt Richtung Olympia bedeuten können, denn wir müssen im Wettkampf zweimal die für die Qualifikation geforderten 145 Punkte erreichen. Schon im Vorfeld wussten wir, dass der Wettkampf sehr stark besetzt sein würde und hofften, mit einer guten Leistung die Punktzahl erzielen zu können. Gleich zu Beginn des Wettkampfs hatten wir jedoch ein wenig Pech und zogen eine schon sehr frühe Startnummer für den Tango. Eigentlich ist dieses nicht so schlimm, jedoch hatten wir beim Training eine nur sehr schwache Leistung gezeigt und hätten durch eine überragende Leistung die Preisrichter überraschen müssen, um gute Komponenten zu bekommen. Gleich zu Beginn des Tangos verloren wir zwei Schläge in der Musik und bauten daraufhin einen Zwischenschritt ein, damit wir einen ganzen Takt versetzt starten konnten, um nicht den kompletten Tanz zwei Schläge versetzt zu laufen. Dies hatte natürlich den Nachteil, dass wir den Tanz nicht in der Musik, sondern nur auf dem Takt angefangen haben. Mit dem 10. Platz waren wir sogar noch recht zufrieden, da wir zugeben müssen, dass die anderen Paare auch wirklich gute Tangos zeigten. Zunächst waren wir froh, dass wir (wie wir dachten) so noch in die Top-10-Gruppe der Auslosung für den Originaltanz kommen würden. Jedoch war dieses nicht der Fall, da bei 16 Paaren nur die Top-8-Platzierungen zur Auslosung in die offene spätere Gruppe kommen. Deshalb waren wir auch zum Originaltanz in der ersten Auslosungsgruppe.

Das Thema des Originaltanzes ist in diesem Jahr Folklore, wobei extra bei Meetings darauf hingewiesen wurde, dass hinsichtlich Olympia das eigene Land gewählt werden sollte. Natürlich ist es schwer, bei einigen Ländern Folklore genau zu definieren (was ist z.B. mit Countrymusik?), die Musiken sind nicht immer fürs Eis geeignet, und einige Länder haben mehr Auswahl als andere. Obwohl Deutschland auch viele andere Musikrichtungen bietet, haben wir uns ganz bewusst für das bayrische Thema entschieden, da Deutschland international nun einmal mehr mit Bayern als mit Nordseeliedern oder z.B. Schwarzwaldmelodien verbunden wird. Außerdem bietet dieser Stil viele schwungvolle und lustige Musikstücke. Der erste Teil unseres Programms ist das "Kufsteiner Lied", in dem es um den kleinen Tiroler Ort Kufstein geht, und um wirklich korrekt zu sein laufen wir also einen Originaltanz zu alpenländischer Volksmusik. Wir sind froh, dass wir bei der Nebelhorn-Trophy sehr viel positives Feedback für unseren OD bekommen haben und haben uns auch gefreut, diesen im Wettkampf gut gezeigt zu haben.

In der Kür hingegen ist es uns nicht gelungen, eine Leistung zu zeigen, die unserem Saisonstand entsprechend wäre. So hatten wir schon in der ersten Hebung Probleme mit der Position, woraufhin diese schon von Level 4 auf Level 2 hinuntergestuft wurde. Leider blieb es auch nicht bei diesem einen Fehler. Um genau zu sein erging es uns ein bisschen wie den Kunstläufern, die beim ersten Sprung fallen und wo sich dann ein Fehlerfaden durchs Programm zieht. Nur ein einziges Element konnten wir wirklich sauber zeigen. Nach dieser nicht zufriedenstellenden Leistung waren es zu Recht sicherlich wir selbst, die sich die meisten Vorwürfe machten. Es folgten Gespräche mit Trainer, Bundestrainer, Verband und anderen, wo es darum ging, nun das bestmögliche Trainingsprogramm zu entwerfen, um uns für den Grand Prix in Moskau vorzubereiten.

Zuerst einmal sollte es wieder nach Dortmund gehen, um dann am Donnerstag mit dem Bundestrainer die Arbeit wieder aufzunehmen. Jedoch wollte dieser gerne mit einer uns schon vom Lehrgang bekannten Choreographin zusammenarbeiten, und weil diese ihre Heimatstadt nicht kurzfristig verlassen konnte, fuhren wir schon am Mittwochabend wieder Richtung Süden nach München. Ein intensives Trainingswochenende stand uns bevor mit täglich bis zu 8 Stunden Training. Leider hatten wir somit keinerlei Gelegenheit, uns die Landeshauptstadt einmal anzusehen oder aufs Oktoberfest zu gehen, denn obwohl die Deutsche Eislauf-Union dort ihren Sitz hat und die Eishalle Bundesstützpunkt ist, waren wir zuvor noch nie vor Ort gewesen.

Zum Glück hatten wir uns nicht entschieden, mit dem Auto zu fahren, denn an dem Sonntag war der letzte Tag des Oktoberfests und Stau um München vorprogrammiert. Außerdem hatten wir in letzter Zeit schon genug Autokilometer hinter uns gelegt und Zug fahren ist oftmals entspannter. Bisher war es von den Reiseterminen und Orten her nicht möglich, auch andere Strecken mit der Bahn zu reisen. Zusammen gerechnet sind wir, seit wir aus Kanada wiedergekommen waren, über 5000 km im Auto unterwegs gewesen. Zu zweit war dieses meistens nicht so schlimm, da immer einer fahren konnte und der andere sich ausruhte. Gern haben wir auch Hörspiele im Auto gehört, um uns die Zeit zu vertreiben. Eigentlich hatten wir sogar immer Glück gehabt und konnten große Staus und sonstige Wartezeiten vermeiden, mit Ausnahme der Fahrt nach der Nebelhorn-Trophy zurück nach Dortmund. Schon auf der Hinfahrt hatten wir einen kleinen Umweg in Kauf genommen, da unser Trainer ein Stückchen gefahren war und von dem Romanhörspiel "Das Freudenhaus" so abgelenkt war, dass er eine Abfahrt um gut 70 km verpasste. Auch der Rückweg war zeitlich nicht kürzer, denn wegen 30 km schleichenden Verkehrs und zusätzlichen 20 km Baustelle fuhren wir die Strecke von etwa 800 km in 9,5 Stunden.

Als nächster Wettkampf steht für uns Moskau auf dem Programm und wir freuen uns schon riesig, einmal diese Stadt zu sehen. Als Eisläufer noch nie in Russland gewesen zu sein ist fast schon ein wenig merkwürdig.....

Viele Grüße,

Caro und Daniel

 

 




 

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