Journal



November 2009


Zum Zeitpunkt unseres letzten Journals durchlebten wir ein paar sehr unruhige Tage und Nächte. Zwar hatten wir davon noch nichts Anfang Oktober erwähnt, aber wir überlegten schon da sehr intensiv, ob wir nicht zu unserer alten Kür wieder wechseln sollten. Bei der Auswertung der Nebelhorn-Trophy hatten wir die Idee bekommen und diskutierten viel über die Vor- und Nachteile. Auf der einen Seite wollten wir gerne an dem neuen Konzept festhalten und nicht unsere komplette Aufbauarbeit vom Sommer über den Haufen werfen, auf der anderen Seite haben wir in dieser Saison schon sehr früh wichtige Wettkämpfe, bei denen es zählt, eine gute Leistung zu zeigen.

Wir haben uns dafür entschieden, wieder die alte Kür zu laufen, und das ausschlaggebende Argument lässt sich dabei im Grunde durch die Wirtschaft beschreiben. Im Grunde sind sämtliche Investitionen, die wir im Sommer in die Kür gesteckt haben, entscheidungsirrelevant (Sunk Costs). Dabei ist die zu wählende Alternative, welche zum besseren Output führt, unabhängig von den bisherigen Investitionen, welches in unserm Fall die alte Kür war. Spontan sind wir nach München gefahren, um dort die alte Choreographie wieder aufzufrischen und Passagen der neuen Kür in die alte Kür einzubauen. Hilfe haben wir dabei von Herrn Skotnicky bekommen, welcher zusammen mit der Ballettmeisterin Frau König viel Kraft in das neue/alte Programm gesteckt hat.

Unser Wunsch und der Wunsch unserer Trainer war es, dass wir die Kür in neuen Kostümen laufen werden. Dazu benötigten wir diese jedoch schon in ca. 1,5 Wochen, damit wir vor dem Grand Prix in Moskau wenigstens einmal darin laufen könnten. Eigentlich hatten wir auf finanzielle Hilfe der DEU gehofft, um diese Kostüme machen lassen zu können, aber mit unseren anderen Kostümen war unser diesjähriges Budget schon mehr als ausgereizt gewesen. Zudem konnten wir diese aus zeitlichen Gründen nicht bei unserer gewohnten Schneiderin in Prag anfertigen lassen. Deshalb entschieden wir uns für eine Schneiderin in Bonn, welche wesentlich mehr kostet als wir normalerweise bezahlen. Als unsere Großeltern die Kostüme Dienstag gegen 5 Uhr abholen konnten, sind wir noch ein letztes Mal mit ihnen auf dem Eis gewesen, bevor wir am Mittwoch nach Moskau geflogen sind.

An Daniels Geburtstag, und damit kurz bevor wir nach Moskau geflogen sind, ist Herr Skotnicky nach Dortmund gekommen, um am Tango zu arbeiten, da wir diesen nach der Nebelhorn-Trophy ein wenig vernachlässigt hatten. Zum Glück waren zu diesem Zeitpunkt Ferien in NRW und somit konnten wir morgens an zusätzlichen Stunden die Eiszeiten nutzen. An manchen Tagen haben wir gut 6 Stunden täglich auf dem Eis verbracht und sind abends müde ins Bett gefallen. Oft passiert es dann, dass man nachts im Bett immer noch an Korrekturen vom Training denkt und sich auf den nächsten Tag freut, wenn man endlich wieder eine Chance bekommt, es besser zu machen.

Trotz des Misserfolges war unsere Motivation unglaublich hoch und wir freuten uns regelrecht auf den Wettbewerb in Moskau. Zur Grand-Prix-Serie werden in der Regel die Top-30-Paare der letzten Saison eingeladen und wir wussten, dass uns hier ein schwerer Wettbewerb bevorsteht. Unser Ziel war es, klar die Olympianorm zu schaffen und vielleicht sogar ein Paar schlagen zu können.

Der Wettbewerb in Moskau war sehr gut organisiert und wurde professionell durchgeführt. Unser Hotel war nur ca. 15 min zu Fuß von der Eishalle entfernt und zum Roten Platz waren es gut 10 Minuten mit der U-Bahn. Der Rote Platz, den wir beide uns wirklich rot vorgestellt haben, ist gar nicht rot, sondern grau. Lediglich ein paar Gebäude um den Platz sind rot. Der Name kommt von dem Adjektiv krasny, welches ursprünglich "schön" bedeutete, jedoch im Laufe der Zeit seine Bedeutung zu "rot" veränderte.

Schon im Pflichttanz waren wir ein wenig überrascht über die sehr niedrige Punktzahl, die wir erreichten. Wir hatten gut 1 Punkt weniger als in Oberstdorf bekommen, obwohl wir besser gelaufen sind. Als wir uns jedoch mit anderen Paaren aus Oberstdorf (der halbe Wettbewerb war schon in Oberstdorf gegeneinander angetreten) unterhielten, erzählten diese uns, dass sie bis zu 3 Punkte weniger hatten und schoben es auf das allgemein höhere Level bei einem Grand Prix. Als wir im OD dann deutlich weniger Komponenten bekamen, waren wir erneut sehr überrascht und auch enttäuscht, da sich bereits jetzt abzeichnete, dass wir auch hier keine Chance haben würden, die geforderten 145 Punkte zu erreichen. In der Kür liefen wir entsprechend locker und freuten uns am Ende über die sehr guten Levels, die wir bekommen hatten. Sämtliche Elemente außer den Schritten waren auf die höchste Schwierigkeitsstufe Level 4 eingestuft worden. In der Diagonalschrittfolge hatten wir ein gutes Level 3 bekommen und im Kreis, bedingt durch den Sturz von Carolina, nur ein Level 1. Der technische Wert war somit trotz des Sturzes nicht schlecht, nur bei den Komponenten war erneut Luft nach oben. Es wäre gelogen, wenn wir sagen würden, wir wären nicht enttäuscht gewesen, und bis jetzt ist es uns nicht ganz klar, warum wir so niedrige Bewertungen bekommen haben. Nach dem Wettbewerb bescheinigte man uns, dass wir seit der Nebelhorn-Trophy gut gearbeitet hätten und auf jeden Fall so weiter machen sollen.

Dass es nun mit der Olympianorm knapp werden würde, war uns bewusst, jedoch hatten wir noch zwei Wettkämpfe vor uns, wo wir uns realistische Chancen ausrechneten, die Norm zu packen. Als uns dann die Nachricht erreichte, zum Grand Prix nach Kanada eingeladen worden zu sein, freuten wir uns sehr. Später jedoch bemerkten wir, dass dieser zeitgleich mit unserem Wettbewerb in Olomouc stattfinden würde. Dies bedeutet, eine wichtige Chance für die Olympianorm zu verlieren, denn wie man bei den Ergebnissen in Paris, Moskau und Peking sehen konnte, sind die Punktevergaben strenger bei einem Grand Prix im Vergleich zu einem anderen Wettbewerb.

Seit dem 1.10. ist Daniel nun auch bei der Bundeswehr und leistet dort seinen Grundwehrdienst ab. Dadurch dass wir beide nun in der Sportfördergruppe der Bundeswehr sind, werden wir finanziell etwas entlastet.

Mitte Oktober wurde auf dem NDR eine Reportage über unsere Mutter mit den jüngsten drei Geschwistern über ihr Leben auf Rügen gesendet, welche unsere Familie ein wenig beschreibt. Unter dem Titel "Sieben Kinder, 40 Pferde: Der Reiterhof Viervitz" bekam man dabei einen guten Einblick, was es heißt, ein "Hermann" zu sein.

So schwer es in den letzten Tagen geworden ist, heißt es für uns jetzt, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und weiterzumachen.

Viele Grüße,

Carolina und Daniel

 

 




 

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