Journal



Juli 2010


Anfang Juni war Halbzeit für unseren Aufenthalt in der Kaserne in Dillingen an der Donau. Der erste Monat war rum, und von nun an konnte man die Tage wirklich rückwärts zählen. Der Hauptzug war entlassen worden und von jetzt an waren wir nur noch 12 Sportler und 3 eignungsübende Damen, die die restliche, noch fehlende Ausbildung durchlaufen mussten. In so einem kleinen Zug (so werden die Gruppen bei der Bundeswehr eingeteilt) hat man einen wirklich nicht zu unterschätzenden Vorteil: Zeit. Bei einer Zugstärke von 30 oder 40 dauert jedes Antreten, Aufstellen oder Anstellen wesentlich länger als mit nur 15. Zeit ist bei der Bundeswehr ein Faktor, der das Leben erträglich oder auch unerträglich machen kann. Entweder hat man deutlich zu wenig und muss sich hetzen, oder bei der Planung ist irgendetwas schiefgelaufen und man bekommt Stunden für nur wenig füllende Aufgaben. Gerade wir als Leistungssportler sind einen durchgeplanten und gut strukturierten Zeitplan gewöhnt und daher ist die Umstellung manchmal nicht ganz so einfach, doch für 8 Wochen sollte sich jeder kurzfristig anpassen können. Vor allem, wenn man weiß, wofür, bzw. dass man nach der Zeit wieder die einmalige Chance bekommt, als Sportsoldat die Bundeswehr zu unterstützen und sicherlich auch von dieser zu profitieren.

Problematisch und unangenehm bei der Zeitplanung ist nur, dass in bestimmten Ausbildungsabschnitten wie z.B. dem Materialreinigen die Qualitätsstufen in Zeiteinheiten gemessen werden. Das bedeutet, dass die Ausrüstung wesentlich sauberer ist, wenn diese mindestens 8 Stunden gereinigt worden ist und nicht nur 2 Stunden. Dass man sich bei 8 Stunden Reinigen heimlich 4 Stunden mit Kartenspielen und drei Stunden mit anderen Späßen vertreibt, ist dabei nicht berücksichtigt. Tatsächlich hatten wir gegen Ende der Grundausbildung wirklich zwei aufeinanderfolgende Tage, an denen wir von Dienstbeginn um 5 Uhr bis zur Dienstunterbrechung um 16 Uhr nur Ausrüstungsgegenstände gereinigt haben.

Als Sportler haben wir eine gewisse Sonderstellung bei der Allgemeinen Grundausbildung und gewisse Ausbildungsteile entfallen oder werden vereinfacht, sodass sich sicherlich keiner über das Maß an Belastung beschweren sollte. Zusätzlich ist man in der Grundausbildung sehr darauf bedacht, uns verletzungsfrei aus dieser Zeit zu entlassen. Wird man dennoch krank oder muss man sich mit dem Sanitätsbereich in Verbindung setzen, kann es schnell kompliziert werden. Bis zu 5 Anlaufstellen hat es benötigt, darunter zwei Ärzte, damit Daniel endlich seinen "Bestellschein für die Anschaffung von Ersatzkörperteilen, sowie orthopädischen Hilfsmitteln" ausgehändigt bekommen hat, um damit beim Sanitätshaus seine Einlagen bestellen zu dürfen.

Die Erfahrung, dass bei der Bundeswehr nicht alles ungefährlich und spaßig abläuft, musste Daniel auf der Schießbahn lernen. Insgesamt waren wir während der Grundausbildung zwei Mal scharf schießen. Beim Schießen der P8 (dieselbe Pistole, wie die Polizei sie lange verwendet hat) mussten wir einmal über einen entspannten Hahn abkrümmen, wodurch es schwieriger wird, das Ziel zu treffen. Da dieser Schuss bei Daniel zum wiederholten Mal weit neben der Zielscheibe einschlug, drehte er die Waffe um 45 Grad, um mit dem Aufseher zu klären, was er genau falsch mache und ob es nicht ein Problem an der Waffe gäbe. Gibt man jedoch einen Schuss ab, spannt sich der Hahn automatisch und der nächste Schuss kann sich sehr leicht lösen. Genau dies passierte und das Projektil schoss gut 3 m an dem Aufseher, der hinter Daniel stand, über die andere Schießbahn hinweg. Intentionen und mögliche Fragestellungen, da auf der Nachbar-Schießbahn Carolina gerade ihre Übung schoss, lassen wir unkommentiert. Wirklich gefährlich war die Situation nie, jedoch die Tatsache, dass sich ein Schuss so leicht lösen kann, ist erschreckend. Sowohl Daniel als auch der Aufseher waren danach so aufgelöst, dass die Übung für ihn abgerochen wurde und sich der Aufseher beim Vorgesetzten erbat, doch eine Beruhigungszigarette rauchen zu dürfen.

Nicht gefährlich, aber spannend war es, im Biwak 3 Tage lang im Wald zu leben. Schon alleine der Marsch dorthin gute 8 km bei vollen Gepäck von ca. 20 kg (Wechselklamotten (2 Hosen, 2 T-Shirts, 2 Feldblusen, Jacke, 3 Paar Socken, Feldmütze), Nässeschutz (Hose und Jacke), Kälteschutz (Hose und Jacke), ABC-Ausrüstung inklusive Maske mit Poncho, Trinkflasche und Essennäpfe mit Besteck, Klappspaten, Zeltbahn, Isomatte, Unterlegefolie, Schlafsack, Helm, G36-Gewehr, Reinigungsutensilien für die Ausrüstung, Hygieneartikel, Taschenmesser, Verbandszeug, Handschuhe, Handtuch, Nähzeug, Magazine und die geheime Sonderverpflegung, falls das Essen schlecht sein sollte) ist nicht zu unterschätzen. Neben dem Aufbauen eines Zeltplatzes haben wir noch Dinge wie das richtige Verhalten beim Streifegehen oder das Anlegen von Stellungen gelernt. Damit das Biwak körperlich zusätzlich fordert, müssen nachts immer zwei Gruppen Streife gehen und eine andere Gruppe das Feuer bewachen. Somit bekommt man maximal 2 Stunden Schlaf in der Nacht. Da im Allgemeinen in jedem Biwak mindestens eine Situation entsteht, in der ein Alarm ausgelöst werden muss, müssen diese Aufgaben verantwortungsvoll absolviert werden und es kann sich nicht heimlich schlafen gelegt werden. Im Wald war es nachts so dunkel, dass man keine 5 m weit schauen konnte, und es wimmelte von verschiedenen Geräuschen aus allen Richtungen. Selbst so manch ein Eishockeyspieler hat im Nachhinein zugegeben, beim Streifegehen Angst gehabt zu haben.

Nur das erste lange Wochenende fuhren wir gemeinsam nach Hause in Richtung NRW, um unsere Familie mal wieder besuchen zu können, ansonsten blieb Carolina vor allem, um die Kosten zu sparen, die Wochenenden wieder in der Kaserne. Leider ließ es das Wetter nicht immer zu, ein paar Sonnenstrahlen zu genießen, jedoch waren die letzen Wochenenden dafür umso heißer. Während der Freizeit mag es sicherlich angenehm sein, wenn die Sonne mit voller Kraft scheint, nur sind wir während des Dienstes an die Kleiderordnung gebunden. Diese ist für Sommer und Winter gleich und lässt daher bei hohen Temperaturen den einen oder anderen Schweißtropfen zu. Die Ärmel darf man sich auch nur hochkrempeln, wenn der Auftrag es zulässt, der gesamte Zug trotzdem einheitlich ist und wenn der Vorgesetzte dies ebenfalls macht. Definitiv wünschte man sich da ab und zu, in eine kühle Eishalle flüchten zu können und bekam volles Verständnis für die doch manchmal nicht sehr ansehnlichen Bauarbeiter, die im Sommer ihre (Fast-) Adoniskörper der Öffentlichkeit präsentieren.

Gegen Ende des Monats ist Daniel nach Leipzig gefahren, um den diesjährigen Konditionstest zu absolvieren. Carolina war leider krank und muss den Test jetzt im September nachholen. Vor dem Test haben wir nur wenig von der Aktion der DEU gehalten, alle Sportler nach Leipzig einzuladen, um dort den Test zu absolvieren, da die Reise- und Unterkunftskosten bestimmt teurer sind als einen DEU-Vertreter an die Stützpunkte zu schicken. Im Nachhinein müssen wir jedoch sagen, dass es durchaus Sinn gemacht hat: Wir als ältere Sportler lernen dadurch die jüngeren kennen, beim Test hat man sich gegenseitig motivieren können und gleichzeitig hat jeder sein Bestes gegeben, um die Konkurrenz zu schlagen. Daniel hat dies auf jeden Fall motiviert und gezeigt, dass es noch andere Jungs gibt, die einen Spagat oder eine gute Standwaage können. Jedoch war laut Aussage der Leiterin das Niveau der Eistänzer im Durchschnitt am höchsten von allen Disziplinen.

Insgesamt war die Zeit bei der Bundeswehr sehr erfahrungsreich und spaßig und eine tolle Ablenkung. Unser Zug war einfach klasse, und besonders in den letzten Tagen haben wir gemerkt, was für eine tolle Gruppe wir waren. Mit Raupenrennen, Bundeswehrtier verkleiden oder Flurhockey vergingen die freien Stunden wie im Fluge. Trotzdem, eines müssen wir an dieser Stelle noch klarstellen, um damit jedem Vorurteil zu widersprechen:

Eishockeyspieler sind nicht härter als Eistänzer (und das konnten wir hoffentlich auch beweisen).

Es melden sich ab,

Hauptgefreite Hermann, Charlie
Obergefreiter Hermann, Delta

P.S. Da bei der Bundeswehr keine Vornamen verwendet werden, wurden uns laut NATO-Alphabet entsprechende Namenszusätze gegeben.

 

 




 

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