Journal



August 2010


In den Journaleinträgen der letzten Monate hatten wir versucht, die eher negativen Aspekte, mit denen wir uns lange beschäftigen mussten, weniger auszuführen, da bis dahin noch keinerlei "Lösung" in Sicht war. Um ehrlich zu sein waren wir speziell seit der Weltmeisterschaft, jedoch auch schon zuvor, stark besorgt, wie es mit dem Eistanzpaar Hermann-Hermann weitergehen könnte. Wir wussten einfach nicht weiter. Die vergangene Saison lag uns schwer auf den Schultern, da wir spürten, wie schnell man "abgeschossen" wird, wenn es mal nicht so gut läuft. Zudem machten wir uns sehr große Sorgen um unsere berufliche Zukunft, denn immerhin steckten wir seit Beginn der Bundeswehrzeit studienmäßig in einer Flaute.

In diesem Eintrag wird dies jedoch anders sein. Wir möchten für jeden offen erklären, warum wir uns wie entschieden haben, damit wir damit einige Gerüchte gleich entkräften können. Deshalb wird sich dieser Eintrag auch weniger damit beschäftigen, was wir gemacht haben, sondern vielmehr damit, wie es uns wo ergangen ist, was wir gedacht haben und mit welcher Zielsetzung wir dies dann auch umgesetzt haben. An einer Stelle dieses Journals wird deshalb auch jeder seine eigenen Beweggründe erklären.

Um nicht zu weit ausholen zu müssen, beginnen wir am besten damit, dass die letzte Saison für uns nicht optimal verlaufen ist. Um ehrlich zu sein, endete sie in einem Desaster, welches in der verpassten Olympiaqualifikation seinen Tiefpunkt gefunden hatte, wobei die schlechte Weltmeisterschaft uns noch weiter nach unten riss. Natürlich gab es Fehlentscheidungen, die wir getroffen hatten, aber die Gesamtsituation blieb uns dennoch rätselhaft. Wir hatten uns voll und ganz auf den Sport konzentriert und aus jeder Situation versucht, das Beste zu machen. Wir waren bereit gewesen, alles zu geben, um das gesetzte Saisonziel zu erreichen. Leider schafften wir es nicht. Jedoch war die große Enttäuschung nicht, dass wir es nicht geschafft hatten, nach Vancouver zu kommen, sondern dass wir, obwohl wir bereit zu allem waren, keinen Ausgleich bekamen. (Auf jeden Fall lernten wir aus dieser Saison so viel wie aus keiner anderen.)

Kurzfristig konnten wir uns motivieren, im April direkt nach der WM schnell eine neue Kür aufzubauen und hofften, in der Grundausbildung etwas Abstand vom Eislaufen zu gewinnen. Es vergingen die ersten 4 Wochen der Ausbildung und noch immer wussten wir nicht, wie und ob wir weiter machen wollen, und so langsam wurden wir wirklich nervös. Von nun an begannen wir in wöchentlichen Sitzungen mit einem Psychologen die Gründe für unsere Motivationsprobleme herauszufinden.

Carolina: Ich fühle mich dem Eistanzen sehr verbunden und glaube, die richtige Sportart für mich gefunden zu haben. Doch leider passiert es immer wieder, dass Sportler sich genau auf diesen Gedanken stützen und nicht mitbekommen, dass das eigentlich wichtige Leben (Familie, Beruf, Freunde) vorbeizieht. Man sollte merken, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um das Handtuch zu schmeißen bzw. neue Wege zu gehen und nicht naiv sein und glauben, dass für jeden einmal der große Erfolg am Ende der Karriere steht.

Daniel: Für mich ist es wichtig, neben dem Sport immer auch etwas für den Kopf zu tun. In der letzten Saison habe ich mich zum ersten Mal zu 100% nur auf das Eiskunstlaufen konzentriert. Dabei ist mir aufgefallen, wie sehr man für andere Einflüsse abstumpft. Sich zu 100% auf den Sport zu konzentrieren bedeutet auch, dass sich beinahe 100% des Lebens nur um den Sport dreht. Deshalb steht es für mich fest, neben dem Sport wieder ein Studium anzufangen.
Mein Problem auf dem Eis ist, dass ich für das Erlernen bestimmter Bewegungsabläufe oft länger brauche als Carolina. Außerdem gibt es bei mir Probleme in den Grundlagen, die ich unbedingt aufholen muss. Trotzdem sind der Tanz auf dem Eis, das Gleiten und das Training das, was ich machen möchte. Jedoch muss man sich die Fragen stellen, wann der Punkt gekommen ist, die Realität anzuerkennen und eigene Leistungsgrenzen zu akzeptieren.

Jeder von uns beiden konnte den anderen gut verstehen und hatte Verständnis. Wir sind nicht mehr 10 und 11 Jahre alt, wo es ganz nett ist, neben der Schule den Sport zu betreiben. Hier geht es um Entscheidungen im Leben, die in 20 Jahren noch wesentlich sein könnten. Um diese Spannung zwischen uns beiden lösen zu können, durfte sich Daniel an verschiedenen Universitäten bewerben und Carolina hatte die Erlaubnis, einen neuen Partner zu suchen. Jeder sollte zunächst sein eigenes ideales Konzept aufbauen, in dem er die größten Chancen sieht, sich zu verwirklichen.

Nach der Grundausbildung mussten wir zunächst eine Woche in Wuppertal bleiben, weil wir noch medizinische Tests von der Bundeswehr zu erledigen hatten. Diese Woche nutzten wir beide dazu, dieses individuelle Konzept zu verwirklichen: Sich Gedanken um den Ort zu machen, Studiengänge herauszusuchen oder Partner für Carolina anzusprechen. Hierbei hatten wir uns darauf geeinigt, dass Daniel diese potentiellen Partner anspricht, damit noch nichts offiziell werden würde.

Am Freitag jener Woche wurden wir von der Bundeswehr aus nach Sonthofen verlegt, weshalb wir die Gelegenheit nutzten, mit dem Bundestrainer über die Problematik zu sprechen. Nicht nur geschockt, sondern völlig entsetzt einigten wir uns, am nächsten Tag zur DEU zu fahren und dort die Problematik zu erklären. Auch von Seiten des Verbandes war anfangs großes Misstrauen gegenüber unserem Vorhaben, aber nach drei Stunden Gesprächszeit konnte man auch hier wenigstens die Gründe verstehen. Direkt danach informierten wir den Landesverband und unseren alten Trainer Vitali, zu dem wir immer noch eine gute Beziehung haben.

Am Sonntag fuhren wir nach Lyon und erklärten auch dort unsere Situation. Schließlich entschieden wir uns, eine Woche Abstand voneinander zu nehmen. Carolina blieb in Lyon und Daniel wollte eine Woche Urlaub machen.

Daniel: Als ich nach dem Gespräch noch einige Minuten in der Eishalle blieb, wurde mir bewusst, wie sehr ich noch am Eiskunstlaufen hänge. Anna und Luca beim Einlaufen zu beobachten und die anderen Teams fleißig an den neuen Programmen feilen zu sehen, weckte in mir den unglaublichen und sofortigen Drang, wieder aufs Eis zu gehen. Ich musste sofort wieder aufs Eis und klärte ab, am nächsten Tag in Oberstdorf zu trainieren.

Obwohl wir bereits knapp 600 km an dem Tag von Oberstdorf nach Lyon gefahren sind, begann Daniel noch am selben Abend, gegen den Willen von Carolina und Luca zurück nach Oberstdorf zu fahren. Die Fahrt dauerte gut 15 Stunden. Schon gut 100 km hinter Lyon bemerkte er, wie müde und mitgenommen er von den ganzen letzten Tagen gewesen war. Zu seinem Pech ging dann auch noch der elektrische Fensterheber im Auto kaputt und die Seitenscheibe des Fahrers war von nun an komplett offen. Mit allem Dingen, die er in Lyon hatte, schließlich war er an dem Tag hier schon ausgezogen, versuchte er, bei offenem Fenster für ein paar Stunden auf einem Rastplatz zu schlafen.

Daniel: Bei der Fahrt habe ich viel darüber nachgedacht, wie einfach die Situation zusammen mit Carolina gewesen wäre. Mit fast 9 Stunden Verspätung kam ich in Oberstdorf an. Normalerweise können wir uns immer abwechseln, und wenn der eine nicht mehr fahren konnte, ist der andere weitergefahren.
In Oberstdorf war das Training sehr gut und motivierte mich noch mehr. Zum Glück war Vitali dort, der mich sofort in die Trainingsgruppe integrierte, und Herr Skotnicky fing mit dem abgesprochenen Basistraining an.

Carolina: Ich blieb die Woche in Lyon und trainierte zusammen mit den anderen Paaren, jedoch musste ich schnell merken, dass auch für mich ein fester Trainingspartner sehr wichtig ist und ich in keinem Fall einer Saison alleine entgegensehen wollte. Außerdem schätze ich Daniel für seine Trainingseinstellung sehr. Lyon ist eine wunderbare Stadt und das Trainingskonzept ist sehr gut, nur leider gibt es hier keine Möglichkeiten, beruflich weiterzukommen. Wir müssten hier erst einmal ein paar Jahre leben, um das Französisch auf Studienniveau zu bekommen, und die Zwischenzeit wäre schwer zu überbrücken. Man darf in keinem Fall so naiv sein und glauben, dass das Eislaufen alleine einen später finanzieren wird.

Am Freitag wurde Daniel von unserem neuen Chef bei der Bundeswehr angesprochen und bat uns beide, doch noch einmal zu einem Gespräch zusammenzukommen. Carolina wollte sowieso zum Lehrgang kommen und reiste somit am Sonntag nach Oberstdorf.

Als Carolina nach Oberstdorf kam, war die Situation für uns beide zunächst sehr komisch, aber als Caro aufs Eis kam und wir uns kurz begrüßt hatten, fingen wir sofort (um ehrlich zu sein, wollten wir die anderen nur schocken und spaßeshalber die gesamte Gerüchteküche umrühren) wieder zusammen an zu laufen und machten einfache Basisübungen. Die nächsten Tage vergingen und wir liefen weiter zusammen. Wir begannen beim Training über die letzten Wochen zu sprechen und was wir erlebt hatten.

Dennoch wussten wir, dass bis zum Ende des Lehrgangs eine Lösung gefunden werden musste. Daniel war mittlerweile an einer sehr guten Uni im Ausland angenommen worden und wäre auch bereit gewesen, dafür seinen Bundeswehrplatz wieder aufzugeben. Entgegen diesem entschieden wir beim Gespräch mit der Bundeswehr, weiter miteinander zu laufen.

In unserer Situation war es besonders schwierig, einen geeigneten Trainingsort zu finden. Nicht nur, dass hier das Trainingsumfeld optimal gestaltet sein musste, auch setzten wir es voraus, dass uns an diesem Ort eine berufliche Perspektive geboten werden kann. Somit schied Oberstdorf schon recht früh aus und die Wahl lag zwischen Berlin und Dortmund. Aus Spaß haben wir damals eine Liste erstellt, um uns selber klar zu werden, welche Faktoren uns wichtig sind:

Zuerst einmal müssen die örtlichen Gegebenheiten leistungsorientiertes Training zulassen, so sollte die Eishalle für Eistanz angepasste flexible Zeiten haben und dem Team bis zu 6 Stunden täglich zur Verfügung stehen. Zudem Ballettsaal, Kraft- und Sportanlagen unterbringen. Der aber wohl ausschlaggebendste Punkt ist ein perfekt eingespieltes Trainerteam, das sich auf die Bedürfnisse der Sportler einstellt. Sowohl Gruppentraining mit anderen Seniorenteams als auch einzelner perfekt perniziöser Unterricht sollten angeboten werden und in Einklang stehen mit einem Zusatztraining, das durch ausgebildete und erfahrene Trainer unterstützt wird. Nicht zu vergessen ist die Nähe zur Universität, so dass beide von uns einem Studium nachgehen können. Schön wäre es auch, wenn beim Training Englisch oder Französisch der Vorzug gegeben wird, um den Sprachen weiter aktiven Umgang sicherzustellen. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Punkt ist das Alter und der Leistungsstand der anderen Sportler, denn immerhin sollte man Ziele täglich vor den Augen haben, um ehrgeizig zu bleiben und eine anspruchsvolle Trainingsatmosphäre zu gewährleisten. Zusätzlich kommen finanzielle oder die Interessen der Bundeswehr, der Verbände oder der Familie hinzu, die wir berücksichtigen müssen.

Irgendwann trafen wir dann die Entscheidung, da wir glaubten, dies zumindest annähernd in Berlin zu finden. Einen Tag später telefonierten wir kurz nach Berlin und trafen für uns die Entscheidung, hier die nächsten zwei bis drei Wochen ein Probetraining zu absolvieren. Es tut uns Leid, dem Stützpunkt in Dortmund vorläufig den Rücken zu kehren, jedoch hoffen wir auf Verständnis, dass wir die Entscheidung für uns und unsere Laufbahn treffen mussten. Nur wenn wir jetzt Dinge ausprobieren und alle Optionen prüfen, können wir später sicher sein, alles für den Sport gegeben zu haben.

Natürlich ist uns bewusst, wie groß unser Rückstand im aktuellen Saisonverlauf ist. Wir wissen auch noch nicht, an welchen Wettbewerben wir teilnehmen werden. Jedoch waren wir in den vergangenen Jahren nie dafür bekannt, schon im Sommer stark zu sein. Viele werden es nicht wissen, aber auch im Jahre 2006/2007 sprachen wir schon einmal von Trennung und hatten eine miserable Saisonvorbereitung. Am Ende wurden wir deutsche Juniorenmeister und belegten bei der JWM das seit den Geschwistern Beier bis heute beste Ergebnis mit einem 10. Platz.

Carolina und Daniel

 


Anbei noch ein paar Anmerkungen:

Die höchsten Besucherzahlen jemals auf unserer Webseite hatten wir an dem Tag, an dem Carolina auf Facebook gepostet hatte, dass sie einen neuen Partner sucht.

Wir danken unserem Auto für die gut 4000 km diesen Monat. Allerdings haben wir uns in manchen Situationen eine Klimaanlage gewünscht. Luca meinte nach unserer Ankunft, dass er selbst in der Sauna nicht so viel schwitzen würde.

Während des Lehrganges in Oberstdorf gab es einen Wettbewerb, wie im Deutschen das Wort Shortdance am besten übersetzt werden sollte (da das Wort Kurztanz weder den Sportlern, Preisrichtern, Trainern oder Funktionären gefällt). Vorläufig durchgesetzt haben dich die Wörter: Kosteneinsparungstanz und Spartanz. Eine endgültige Entscheidung mit allen (auch ernstgemeinten) Vorschlägen wird es von der DEU bald geben.

Das wohl lustigste Gerücht, warum wir wieder zusammen laufen, nämlich, dass Carolinas neuer Partner Benoît Richaud keine Freigabe vom französischen Präsidenten bekommen hat, möchten wir an dieser Stelle kurz widerlegen. Es gab nie ein Probetraining zwischen den beiden, geschweige denn, dass der französische Präsident um eine Freigabe gefragt wurde. Unserem Wissen nach läuft Benoît momentan auch mit einer Ukrainerin zusammen.

Wirklich Leid tut uns, dass das Paar Christina Chitwood und Mark Hanretty aufgehört hat. Auch nur zufällig haben wir von der Trennung erfahren, würden aber jedem einmal raten, auf deren Webseite die Gründe für die Trennung im Journal nachzulesen.

 




 

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