Journal



August 2009


Seit etwa vier Wochen sind wir nun wieder in Vancouver und trainieren zusammen mit drei weiteren Meisterklasseteams, einem Juniorenteam und einem Nachwuchsteam jeden Morgen in der Eishalle in Burnaby. So schön die Sommerpause auch sein mag, aber irgendwie freut man sich doch, endlich wieder aufs Eis gehen zu dürfen. Der Trainingsplan ist fast derselbe wie im vergangenen Sommer. Früh um 6.30 Uhr treffen sich alle in der Halle um sich aufzuwärmen und anschließend ab 7 Uhr das Eistraining auszunutzen. Da wir beide auch wieder in denselben Familien wohnen, muss Carolina schon morgens um 4.30 Uhr aufstehen, um dann mit dem Fahrrad zum SkyTrain (ähnlich wie U-Bahn, nur größtenteils auf erhöhten Schienen, daher der Name) zu gelangen, mit diesem dann einige Stationen zu fahren, um dann mit dem Bus pünktlich zur Eishalle zu gelangen. Daniel kann etwa 40 Minuten länger schlafen, muss aber dafür etwa 25 Minuten mit dem Fahrrad einen steilen Berg in der Früh hinunter fahren (den er natürlich dementsprechend am Nachmittag wieder hoch strampeln muss). Nach dem Eistraining, welches wieder in der extrem kalten Eishockeyhalle der Vancouver Eishockeymannschaft stattfindet, powern wir uns noch im anliegenden Fitnesscenter oder beim Tanzunterricht aus. Das Training ist ziemlich intensiv und anstrengend. Daher sind die freien Stunden am späten Nachmittag kaum sinnvoll zu nutzen und werden mit essen, schlafen und vielleicht mal mit ein bisschen Plaudern mit unseren Gasteltern und Babysitten gefüllt. Jedoch muss Daniel neben dem Training noch intensiv an seiner Bachelorarbeit tüfteln, da der Abgabetermin naht. Jeder, der so etwas oder Ähnliches schon einmal zustande bringen musste, weiß, dass 50 Seiten selbst zu verfassen nicht zu unterschätzen ist. Daniel hat sich als Ziel gesetzt, diese hier in Vancouver fertigzustellen.

Besonders die letzten Tage vor unserem Abflug waren stressig. An unserem letzten Tag in Deutschland hat Daniel morgens noch eine letzte Klausur an der Uni geschrieben und wurde dann von Carolina und einem Freund abgeholt, um zusammen zum Flughafen nach Frankfurt zu fahren. Vor unserem Abflug trafen wir (ironischerweise) einen guten Freund, den wir letztes Jahr in Vancouver kennengelernt hatten und der momentan in Mannheim ein Auslandssemester absolviert. Zum Glück war dieser dann zufällig auch beim Einchecken dabei, so dass wir anfallendes Übergepäck schnell aussortieren und ihm in die Hand drücken konnten. Wir hatten natürlich den günstigsten verfügbaren Flug gebucht, welches beinhaltete, dass wir jeder nur 23 Kilogramm Gepäck haben durften. Beim Einchecken wurde zunächst unser Handgepäck gewogen und unsere Rucksäcke waren beide jeweils schwerer als die zulässigen 10 Kilogramm. Da wir beide 2 Paar Schlittschuhe, Trainingsklamotten inkl. Laufschuhe, warmer Sachen für die kalte Halle etc. und Daniel noch Bücher für seine Bachelorarbeit dabei hatten, war natürlich auch bei unseren anderen Gepäckstücken das zulässige Gewicht überschritten. Im Vorfeld hatten wir uns bereits erkundigt, ob wir nicht einen zusätzlichen Koffer mit Sportgepäck aufgeben können, jedoch werden von Air Transat nur Golf- und Angelausrüstungen als Sportgepäck eingestuft. Dies bedeutete für uns, dass jeder noch schnell ein paar weitere Pullover (jeder 4 Stück) anziehen musste und ein paar Bücher "offiziell" in Deutschland verblieben.

Bei unserer Ankunft hat uns Brett Barden vom Flughafen abgeholt und wir freuten uns sehr ihn wiederzusehen. Im letzten Jahr hatten wir viel zusammen unternommen und wir kennen uns seitdem sehr gut. Bei unserer Fahrt durch Vancouver haben wir sofort festgestellt, dass die Stadt schon ein ganzes Stück weiter in der Planung/ Ausführung der Olympischen Spiele ist. Brett hat uns dann sofort zu unseren Gasteltern gefahren und dort es gab ein ebenso herzliches Willkommen wie am Flughafen. Daniels Familie hatte extra wieder Bananen (Daniels kleiner Snack für zwischendurch am Rande der Eisbahn) gekauft und alles war bereits vorbereitet, so dass wir am nächsten Morgen mit dem Training beginnen konnten.

An unserem dritten Tag hier in Vancouver, dem ersten Juli, feierten die Kanadier den Canada Day. Dies ist einer der wichtigsten Nationalfeiertage hier in Kanada und erinnert an die Bildung Kanadas als Bundesstaat des britischen Commonwealth. An diesem Tag laufen viele Kanadier mit den Nationalflaggen und Mützen oder T-Shirts mit dem Ahornblatt herum. Selbst wir haben von einem Trainingskollegen morgens eine Kanadamütze geschenkt bekommen, mit der wir nachmittags rumgelaufen sind. Auf der Straße wird man oft freundlich begrüßt und bekommt ein "Happy Canada Day" zugerufen. Als Daniel nach dem Training nach Hause fuhr, hat er beobachtet, wie ein Flaschensammler vergnügt bei seiner Arbeit jedem ein "Happy Canada Day" zurief und dabei weiter nach Flaschen suchte. Ein Vergleich des Nationalstolzes und der Feierlichkeiten mit z.B. dem Tag der Deutschen Einheit ist kaum möglich.

Am Wochenende haben wir uns die Zeit genommen und sind mit unserem Freund Brett Barden (www.skatetoday.com) nach Manning Park gefahren. Da auf den meisten Strecken des Highways eine Geschwindigkeitsmaximalbeschränkung von 100 km/h vorgegeben ist, ist eine Strecke von 200 km nicht "mal eben" gefahren. Manning Park bietet eine wunderschöne Naturkulisse und hat alles, was man sich bei dem Wort "Kanada" vorstellt. Berge mit Schneekuppen (sogar im Sommer), Täler mit kleinen geschlängelten Seen und glasklarem Wasser, Braunbären, Rehe, Waschbären und viel anderes Wild. Wir erlaubten uns einmal um einen kleinen See herumzulaufen und anschließend ein Kanu zu mieten, um bei fast 30°C uns eine kleine Abkühlung zu verschaffen. Wieder auf trockenem Boden angelangt haben wir "Groundsquirrel"-Bauten entdeckt und waren fasziniert von diesen Tieren, die, obwohl sie freilebend waren, so zutraulich waren, dass sie einem aus der offenen Hand Erdnüsse fraßen. Unser zweites Wochenende wollten wir dann etwas ruhiger angehen und keine großen Unternehmungen planen, um unsere Energiereserven für die kommende Woche bestmöglich aufzufüllen, und damit Daniel mit seiner Bachelorarbeit weiter vorankommen konnte.

Am dritten Samstag sind wir wieder mit Brett unterwegs gewesen und nach Seattle gefahren. Allerdings ist die Einreise von Nicht-Kanadiern oder -Amerikanern beim Grenzübergang etwas komplizierter. Wir wurden vom Zollbeamten herausgewunken und bekamen von diesem einen Zettel auf die Windschutzscheibe geklebt, der uns zur "Vollkontrolle" schickte. Ganz so schlimm wurde es dann doch nicht. Ein Beamter begrüßte uns dann freundlich und wir mussten genauestens aufklären, warum wir einreisen wollen, wohin es geht, wann wir zurückfahren werden, etc. Zollbeamte sind weltbekannt dafür, aus verständlichen Gründen etwas genauer zu sein und keinen Spaß zu dulden, jedoch haben wir einen so genauen Check noch nie erlebt. Schengen sei Dank. Zudem wurde nebenbei noch unser Auto nach Drogen, Waffen, Essen und anderen Schmuggelwaren durchsucht.

Nachdem wir endlich einreisen durften, ging es weiter Richtung Seattle. Es war ein heißer, sonniger Tag, wir wollten ein paar Touristenattraktionen unsicher machen und starteten mit dem Pike Place Market. Eigentlich ein Markt wie jeder andere. Zahlreiche Obst- und Gemüsestände, an denen man frei kosten durfte, und sonst noch viel anderes Allerlei. Jedoch hatte das Ganze vielleicht durch die fliegenden Fische seinen ganz eigenen Charme. Da wir anschließend nicht in der prallen Sonne an der "Space Needle" anstehen wollten, um die Stadt aus der Höhe zu betrachten, haben wir uns für eine Stadtrundfahrt der besonderen Art entschieden. "Ride the Ducks" - wer schon einmal in Seattle oder einer anderen Stadt war, die diese Attraktion anbietet, weiß, was dieses bedeutet, denn die Fahrzeuge, die sowohl zu Land als auch im Wasser fahren können, sind sicherlich eine Erfahrung. Sie sehen seltsam entenmäßig aus (woher wohl auch der Name kommt) und besonders die Fahrer sind zu bewundern. Mit fast unerträglich guter Laune, viel Humor und Rhythmusgefühl werden einem die Besonderheiten der Stadt veranschaulicht. Bei jedem gesichteten Starbucks (zum Glück werden nicht alle 400 abgeklappert) gibt es ein "Ka-ching" und die Teilnehmer werden zum Mitmachen animiert. Irgendwie ist Seattle eine amerikanische Großstadt, wie es dort so viele gibt, doch "Ride the Ducks" schafft es doch noch, ein paar Besonderheiten herauszukitzeln. Anschließend sind wir noch in ein typisch amerikanisches All-you-can-eat-Restaurant gegangen, allerdings mit nicht nur Pizza und BBQ, sondern auch Salat, Suppe und anderen einigermaßen gesunden Speisen im Angebot.

Auf unserem Rückweg sind wir noch kurz für ein paar Minuten in einem Outlet-Center vorbeigefahren (leider ohne große Ausbeute) um dann wieder vor der Grenze zu zittern. Denn man kann ja nie wissen, ob die Beamten nicht doch irgendeinen Grund finden, um einem die Einreise zu verweigern, und da unsere Rückflüge von Vancouver aus gebucht sind, hätten wir ein Problem gehabt. Zufällig hatte Carolina auch noch in der Woche vorher gehört, dass Jugendlichen gerne die Einreise verweigert wird, da Vancouver bekannt ist als Party- und Marihuana-Metropole. Zum Glück ging alles gut, und dieses Mal wurde uns weder Geld abgeknöpft, noch wurde unser Auto durchsucht. Da wir abends erst spät wieder zu Hause waren und wir am Montag wieder ausgeruht in die Woche starten wollten, gestaltete sich der Sonntag eher ruhig.

In der folgenden Woche begannen in Vancouver die "Celebrations of Light". Das ist ein riesiges, jährliches Feuerwerks-Festival, bei dem über mehrere Wochen hinweg verschiedene Nationen gegeneinander antreten. Immer mittwochs und samstags bei Einbruch der Dunkelheit wird von einem Containerschiff aus, welches in der Bucht vor Vancouver liegt, Feuerwerk zu Musik synchronisiert losgefeuert. Jeder, der mag, kann das Spektakel von einem der Strände aus betrachten. Da das Ganze kostenlos und sicherlich sehenswert ist, sammeln sich so an einem Abend mehrere 100.000 Menschen. Viele verbringen schon den ganzen Nachmittag am Strand, um sich für den Abend einen guten Platz zu sichern. An unserem vierten Samstag in Vancouver war die USA an der Reihe und durfte ihr Schwarzpulver verschießen, und da wir am nächsten Tag kein Training hatten, machten wir uns mit einem italienischen Austauschstudenten, den wir hier kennengelernt haben, und unserem Freund Bryn, der aus Deutschland zurück war, auf den Weg. Entgegen jeder Wettervorhersage brach ein Platzregen aus. In der Hoffnung, dass es nur ein einmaliger Schauer war, liefen wir weiter vom SkyTrain in Richtung Strand. Dort angekommen entschieden wir uns jedoch, nicht noch die verbleibenden 2 Stunden im Nieselregen zu warten und endeten Karten spielend in einem Starbucks. Etwa eine halbe Stunde vor Beginn regnete es immer noch, und daher entschieden wir uns entgegen Daniels Wunsch, nicht mehr zu warten. Denn nach dem Feuerwerk ist es nicht möglich, schnell nach Hause zu kommen. Viele Straßen werden Downtown gesperrt, um die Massen an Menschen bewältigen zu können. Sicherlich zu vergleichen mit den Mengen, die bei der Fußballweltmeisterschaft 2006 unterwegs waren.

In der folgenden Woche brach eine Hitzewelle über der Stadt aus. Es war insgesamt sowieso schon ein warmer und trockender Sommer, jedoch wurden nun alle Hitzerekorde seit 1960 übertroffen. In der Gewitternacht am Samstagabend sind dabei ca. 80 Brände in British Columbia durch Blitzeinschläge angezündet worden. Im Schatten waren es über 35°C und in der Sonne 47°C. Die Eishockeyspieler beschwerten sich, dass das Eis zu weich ist, und wenn man am Mittag aus der Eishalle herauskam, fühlte man sich, als würde man in die Sauna gehen. Das Wetter hielt die ganze Woche an, so dass Ventilatoren und mobile Klimaanlagen ausverkauft sind und im Bus kostenlos Wasserflaschen verteilt wurden.

Was uns wirklich gut gefällt in Kanada und was viel besser funktioniert als in Deutschland ist der Nichtraucherschutz. Allgemein rauchen wesentlich weniger Kanadier, so dass es richtig auffällt, wenn mal jemand eine Zigarette raucht. An jedem öffentlichen Platz ist das Rauchen verboten und die Menschen halten sich auch daran. Vor einem Café haben wir letztens sogar ein Schild gesehen mit der Aufschrift "Rauchen im Café und bis zu 3m vor der Tür ist verboten". Zigaretten kosten pro Schachtel ca. $10 und die Clubs und Bars sind nicht leerer als in Deutschland. Das jahrelange Hin und Her über Ausnahmeregelungen in manchen Bundesländern zeigt, wie überfällig da die Diskussion in Deutschland ist. Föderalismusreform sei Dank!!!

Leider bestätigt sich oft für uns das Vorurteil, dass Amerikaner verschwenderischer leben als Menschen in Europa. Es trifft bestimmt auch nicht auf jeden Europäer oder Amerikaner zu, aber generell gesehen gibt es doch einen gewaltigen Unterschied im Konsumbewusstsein beider Kulturen. Zugegeben waren wir erschrocken, als wir gehört haben, dass Haushalte hier nicht für ihren Wasserverbrauch bezahlen müssen. Jeder Haushalt hat hier eine Art Wasserflatrate und kann beliebig viel Wasser verbrauchen. Dies lädt natürlich dazu ein, jeden Morgen für ein paar Stunden die Blumen (und natürlich auch den Bürgersteig) zu bewässern, das Dach im Sommer gegen Überhitzung für ein paar Stunden mit dem Wasserschlauch abzukühlen oder Waschmaschinen zu verkaufen, die ca. die dreifache Menge an Wasser verbrauchen im Vergleich zu den neuen Modellen in Deutschland. In der Ökonomie würde man sagen, dass es hier keinen effizienten Markt gibt.

Viele Grüße

Carolina und Daniel

 

 




 

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