Journal



April 2010


Seit mittlerweile drei Monaten leben wir schon in Lyon und haben uns gut an den kulturellen deutsch-französisch-italienisch-und-britischen Mix gewöhnt. Deutsch ist die dominierende Sprache, wenn wir beide miteinander reden (wenn andere dabei sind, die nicht Deutsch können, sprechen wir Englisch miteinander) oder nach Deutschland telefonieren, während in der Umkleide viel Englisch und Italienisch gesprochen wird. Französisch und Englisch sind die dominierenden Sprachen beim Training, wobei wir versuchen, so viel wie möglich auf Französisch zu sprechen. Außerhalb der Eishalle gestaltet sich unser Alltag nahezu zu 100% aus Französisch und der Sprachkurs, den wir im Februar belegt haben, hilft uns dabei sehr. Leider kostet ein solcher Kurs auch viel Geld, weshalb wir den Unterricht wieder abbrechen mussten, aber zum Glück haben wir viele wichtige Dinge lernen können und eine kleine Grundlage vermittelt bekommen. Ein Problem ist jedoch, dass wir in dem Kurs nur Präsens gelernt haben und weder in Futur noch in der Vergangenheit sprechen können. Außerdem macht uns unser deutscher Akzent immer wieder bemerkbar: Daniel war beim Bäcker schon oft in der misslichen Lage, drei anstatt von einem Croissant gekauft zu haben, obwohl eins "un" sich nicht besonders ähnlich zu drei "trois" anhört.

Auch wenn wir es am Anfang kaum glauben mochten, sind die Unterschiede zwischen der deutschen und französischen Kultur größer, als wir erwartet haben. Nicht nur, dass Zeit und Pünktlichkeit hier wesentlich unverbindlicher gehandhabt werden, auch haben wir schnell gemerkt, wie statusorientiert wir Deutschen denken. Ein schönes Auto, eine schön eingerichtete Wohnung und Markenkleidung (ob schön oder nicht) sind langfristigere Messgrößen, mit denen wir in Deutschland unseren Lebensstandard demonstrativ zur Schau stellen. In Frankreich wird im Gegensatz dazu mehr fürs tägliche Leben ausgegeben. Viel Geld wird hier für Cafés, Restaurants und Essen benötigt. Nicht zu vergessen sind hier die enormen Ausgaben für Pflegeprodukte (das günstigste Gel bei Schlecker kostet gut 5 Euro) und modische Kleidung, die jedoch nicht zwingend Markenkleidung sein muss. Ein Kompliment muss man dabei den Franzosen wirklich machen: Sie sind fast alle sehr gut gekleidet. Besonders die Frauen stellen dabei gerne zur Schau, wie groß ihre Garderobe ist, und die durchschnittliche Anzahl von Schuhpaaren bei Frauen wird hier mit Sicherheit größer als 40 sein.

Die Zimmer, die wir bewohnen, sind recht einfach gehalten (Klappbett, Tisch, Stuhl, eingebauter Wandschrank) und auch nach drei Monaten gibt es kaum private Dinge, die wir mitgebracht haben. Wir waren seit Januar nicht mehr zu Hause, und als wir damals unseren kleinen roten 16 Jahre alten Peugeot vollgepackt haben, war eben nur Platz für das Nötigste: Eislaufutensilien, Kleidung, Bettwäsche und ein paar persönliche Dinge. Selbst für die Kostüme war kein Platz mehr, und als wir im Februar erfahren haben, dass wir für die WM nominiert worden sind, mussten wir diese von Dortmunder Eislauffreunden bei einem Wettkampf über neue Trainingskollegen nach Lyon schicken lassen.

Auch an den Trainingsrhythmus haben wir uns mittlerweile gut gewöhnt. Montags bis Samstags beginnen wir um 7:30 Uhr und haben dann bis um 9 Uhr Training, bevor wir im Anschluss zum Konditionstraining gehen. Vor der Weltmeisterschaft, oder wenn wir aus anderen Gründen mehr trainieren möchten, gibt es für uns immer die Möglichkeit, morgens schon um 6 aufs Eis zu gehen und bei den Junioren die erste Einheit mitzuarbeiten. Was uns besonders gut gefällt, ist, dass wir täglich zu Beginn des morgendlichen Trainings 20 Minuten Schrittgrundlagen üben. Hier wird jeden Tag ein anderer Schritt oder ein bestimmtes Element besonders intensiv trainiert. Wird zum Beispiel die Wende trainiert, werden hier alle 4 Varianten (vorwärts und rückwärts; einwärts und auswärts) in verschiedenen Schrittkombinationen geübt. Um 10 Uhr geht es nach Hause zu einem zweiten Frühstück, bevor es um 11:15 Uhr zur zweiten Einheit aufs Eis geht. An manchen Tagen ist die Pause jedoch etwas länger und wir gehen erst um 15 Uhr zur zweiten Einheit aufs Eis.

Mit der Nominierung zur Weltmeisterschaft haben wir im Grunde überhaupt nicht gerechnet, weshalb wir uns umso mehr darüber gefreut haben. Zwar wussten wir, dass der Golden Waltz ein sehr schwieriger Tanz ist und wir diesen bisher nur sehr wenig trainiert hatten, aber da wir noch ein paar Wochen Zeit hatten, waren wir zuversichtlich, diesen bis zum Wettkampf genug trainieren zu können. Im März sind wir jeden Tag extra um 6 Uhr aufs Eis gegangen, um zusätzlich den Tanz zu üben.

Am Sonntagmorgen fuhren wir zusammen mit dem Auto nach Turin. Irgendwie war es ein seltsames Gefühl, so zu einem Wettbewerb anzureisen, denn normalerweise fliegen wir zu fast jedem Wettbewerb und oft gilt, je weiter die Entfernung ist, desto wichtiger und größer ist die Veranstaltung. Nach knapp 3,5 Stunden Autofahrt und zahlreichen Diskussionen über Maut-, Tunnel- und sonstige Straßengebühren erreichten wir Turin. Mit dem Auto durch die italienische Großstadt zu fahren ist für uns brave deutsche Fahrer doch recht aufregend. Der Unterschied zwischen Deutschland und Frankreich war ja schon bemerkbar, aber in Italien lernt man erst, dass rot nicht unbedingt rot bedeutet.

Für das Event gab es 2 offizielle Hotels, die zwar beide in einem riesigen Komplex waren, jedoch trotzdem die gemütlichen und lustigen Essensnachmittage etwas verhinderten. Oftmals haben wir einige Stunden zwischen Training und Wettbewerb Zeit und sitzen stundenlang beim Mittag oder Abendessen mit anderen Sportlern und quatschen.

Quasi als Entschädigung waren wir in einem 5-Sterne-Hotel und genossen täglich verschiedene italienische Spezialitäten. Jedoch ist bis heute nicht genau geklärt, ob nicht genau dieses auch der Grund für eine recht drastische Krankheitswelle war, die sich während des Wettbewerbs ausbreitete.

Die ersten Tage war noch nichts zu bemerken, aber ab Mittwoch fingen mehrere Personen an, sich über Magenbeschwerden zu beklagen, darunter auch Carolina. Wenn der Zeitplan den OD schon für diesen Tag vorgesehen hätte, hätten wir mit Sicherheit aufgeben müssen. Am Donnerstag ging es ihr schon wieder ein wenig besser, jedoch wurden im Laufe des Tages etwa 20 Leute wegen genau derselben Beschwerden ins Krankenhaus eingeliefert. Eine Medical Communication wurde ausgehangen, die informierte und darum bat, die nun verteilten Spender mit Desinfektionsmitteln zu benutzen, da man offiziell vermutete, dass es sich um eine virale Infektion handelte.

Mit Sicherheit war dies nicht der einzige Grund, weswegen wir das Finale nicht erreichen konnten. Wir hatten etwas Pech mit der Startnummer, aber vor allem scheiterten wir an der starken Konkurrenz. Für uns gilt es nun, nach vorne zu schauen und die nächste Saison vorzubereiten.

Bis bald

Carolina und Daniel

 

 




 

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